ANSYS unterstützt Rosswag Engineering in der Entwicklung neuer 3D-Druck-Materialien

Anwenderbericht

Firma: Rosswag GmbH

Themen: Berechnung & Simulation

Branche: Sonstige

Erschienen in:

KEM Konstruktion

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Das Material machts

Freiformschmieden und SLS-Metalldruck – eines der ältesten und eines der neuesten Fertigungsverfahren treffen bei Rosswag in Pfinztal aufeinander. Sein Wissen um Metallwerkstoffe und deren Bearbeitung transferiert das Unternehmen nun in den Bereich der additiven Fertigung. Bei der Entwicklung neuer Pulverwerkstoffe und dem Metall-3D-Druck nutzt Rosswag ANSYS-Software, um den Druckvorgang zu simulieren.

Freiformschmieden ist wohl eines der urtümlichsten Fertigungsverfahren – wie schon vor Jahrtausenden der Schmied mit dem Hammer Metall formte, so entstehen noch heute bei Edelstahl Rosswag Schmiedeteile – allerdings mit hydraulischen Pressen und Manipulatoren. So entstanden hier unter anderem Klöppel für Kirchenglocken im Kölner Dom, in der Dresdner Frauenkirche, im Kaiserdom zu Speyer, im Straßburger Münster oder im Wiener Stephansdom. Eine andere Spezialität sind gewalzte, nahtlos geschmiedete Ringe von bis zu 3,5 Meter Durchmesser. Schmiedeteile dieses Herstellers finden sich überall dort, wo höchste Ansprüche an die Festigkeit von Metallteilen gestellt werden, beispielsweise in Industrieanlagen, in Flugzeugen, in der Raumfahrt, aber auch in Bahnen, Turbinen und Schiffen.

August Rosswag gründete im Jahr 1911 eine Faconschmiede und mechanische Werkstätte in Pfinztal; inzwischen wird die Rosswag GmbH von der vierten und fünften Generation der Gründerfamilie geführt. Das Unternehmen ist weltweit eine der Schmieden, in der die meisten Werkstoffe verarbeitet werden. Insgesamt zwischen 6000 und 7000 t von mehr als 400 Metallmaterialien lagern ständig vor Ort. Dabei deckt das Unternehmen alle Schritte von der Sägerei über die Schmiede und Wärmebehandlung bis hin zur Nachbearbeitung und Zerspanung ab.

Freiformschmieden ist keine Fertigungstechnologie für hohe Stückzahlen, sondern es geht bei Rosswag vor allem um einzelne Bauteile, bei denen beispielsweise ein optimaler Faserverlauf im Bauteil wichtig ist. Von den insgesamt 200 Mitarbeitern sind dementsprechend allein 20 in der Qualitätssicherung tätig. Ein Mitarbeiter des TÜV Süd begleitet dort nahezu täglich die Prüfprozesse – das unterstreicht, wie ausschlaggebend die Qualität der hergestellten Teile ist.

Pulver mit neuen Eigenschaften

Vor einigen Jahren begann man, Beratungskapazitäten aufzubauen, um Kunden bei der Konstruktion von Schmiedeteilen und im richtigen Einsatz von Werkstoffen zu beraten. 2014 kaufte Rosswag eine Metall-3D-Druckanlage von SLM Solutions und gründete den Geschäftsbereich Rosswag Engineering, der sich um die neue Fertigungstechnologie kümmern sollte. Gregor Graf, Leiter Engineering, war von Anfang an dabei: „Wir hatten schon gesehen, dass die Auswahl an verfügbaren Metallpulvern sehr begrenzt ist, deshalb kauften wir eine Anlage von SLM. SLM Solutions bietet ein offenes System, in dem sich ohne Garantieverlust mit Materialien und Parametern experimentieren lässt.“

Es hatte sich gezeigt, dass Sonderpulver kaum wirtschaftlich zu bekommen war, Lieferzeiten oft bei 25 bis 30 Wochen lagen und die Pulver oft nicht wirklich sortenrein waren, weil sich die üblichen Pulvererzeugungsanlagen schlecht reinigen lassen. Und so kam Anfang des Jahres 2018 noch eine Pulvererzeugungsanlage von dem im nahegelegenen Walzbachtal angesiedelten Spezialisten Blue Power hinzu. In dieser können die Werkstoffspezialisten von Rosswag wirtschaftlich auf kleine Mengen beliebiger Metallwerkstoffe aufschmelzen und in einem Gasstrom zu 3D-Druck-fähigem Pulver verarbeiten. Graf sagt: „Bisher sind auf dem Markt kaum mehr als 20 verschiedene Standardlegierungen mit Parametersätzen erhältlich, dieselbe Anzahl an Sonderpulvern haben wir allein im letzten Jahr in der Blue Power-Anlage zu Pulver verarbeitet und auf unseren inzwischen zwei SLM-Anlagen qualifiziert.“ Der Mehrwert des 3D-Drucks liege nicht allein im neuen Fertigungsverfahren, sondern auch im Material. „Durch die extrem kurzen Aufheiz- und Abkühlzeiten“, so Graf weiter, „ergeben sich Gefügestrukturen im Metall, die sonst nicht vorkommen. So lassen sich ganz neue Werkstoffeigenschaften erzeugen.“ Rosswag hat seine Labor- und Prüftechnik für Metallwerkstoffe erweitert, um 3D-gedruckte Metallbauteile – beispielsweise auf diese Gefügeveränderung im Prozess – untersuchen zu können.

Es entstehen ständig neue interessante Praxisanwendungen für 3D-Druckteile, unter anderem entwickelte man gemeinsam mit MAN eine Turbinenleitschaufelsektion für Gasturbinen, ein Werkzeughersteller war Partner bei der Realisierung eines innengekühlten 3D-gedruckten Abstechmeißels für Drehmaschinen. Dort kann die additive Technologie ihre Stärken ausspielen, da die Kanäle völlig frei im Innern des Werkzeughalters verlegt werden können. So war es wohl unvermeidbar, dass Rosswag seine beiden Spezialgebiete Schmieden und AM zusammenbrachte und ein hybrides Fertigungsverfahren namens ForgeBrid entwickelte. In dem im letzten Jahr mit dem Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg prämierte Verfahren wird zunächst ein Teil geschmiedet und dann auf dieses Teil im 3D-Drucker Strukturen aufgebracht. Das Pulver kann sogar aus Reststücken des Schmiedevorgangs erzeugt werden, so dass sowohl der geschmiedete als auch der 3D-gedruckte Bereich aus Material einer Charge besteht.

Den Ablauf des 3D-Drucks realistisch nachvollziehen

Mit Simulation hatte man schon im Schmiedebereich Erfahrungen gesammelt, nun sollten die Entwicklung neuer Pulver und der 3D-Druck mit Hilfe von Simulationssoftware unterstützt werden. „Es gibt da eine ganze Reihe kleinerer Spezialanbieter am Markt“, erläutert Graf, „wir suchten aber nach einem großen Hersteller, bei dem eine langjährige, stabile Zusammenarbeit möglich erschien. So sind wir auf ANSYS und deren Additive-Suite gestoßen.“

ANSYS Additive Print ist eine Simulationsapplikation, mit der sich der additive Fertigungsprozess simulieren lässt. Die Software, die auf der ANSYS Mechanical-Suite aufbaut und deren Solver nutzt, nimmt zum einen ein STL-Modell der 3D-Geometrie entgegen. Zum anderen liest Additive Print die Druckdatei ein, die die Rosswag-Spezialisten in der SLM-eigenen Software oder in Materialise Magics erstellt haben. Diese Datei enthält die Bahnen, die der Laser pro Schicht abfährt, sowie die zugehörigen Laserparameter. Die ANSYS-Software kann damit den Ablauf des 3D-Drucks realistisch nachvollziehen und aus dem Wärmeeintrag die Spannungen in Bauteilen und Stützstrukturen berechnen.

So kann ANSYS Additive Printing neben der Festigkeit, die von der Lage und Orientierung des Teils im Drucker abhängig ist, die Verformungen berechnen, die durch die Spannungen im Bauteils entstehen. Daraus wiederum erzeugt die Software auf Wunsch ein vorverformtes Bauteil, das die Spannungen vorwegnimmt. Dieses verformte Modell lässt sich wiederum in Materialise Magics einlesen und dort in eine Druckdatei weiterverarbeiten. Im 3D-Druck entsteht dann ein völlig unverzerrtes Bauteil, das der ursprünglichen Geometrie entspricht. „Wie gut das funktioniert, haben wir in einem unser ersten Projekte erfahren“, erinnert sich Graf. Wir druckten die Knotenteile eines Fahrradrahmens, die dann durch Kohlefaserrohre verbunden wurden. Wären die Knotenteile verzogen aus dem Drucker gekommen, hätten sich die ultrasteifen Kohlefaserrohre nicht in die Muffen einstecken und miteinander verbinden lassen. Mit Hilfe von ANSYS Additive Print konnten wir Teile drucken, mit denen der Rahmen sich praktisch ohne Nacharbeit zusammensetzen ließ.“

Das zweite Paket Additive Science ist in Teilen mit der aktuellen Version ANSYS 2019.1 veröffentlicht worden. Es ermöglicht, die chemische Zusammensetzung und das Verhalten eines Materials im Druck zu simulieren, so dass schon vor der ersten Bauteilfertigung ein guter Eindruck der endgültigen Materialeigenschaften gewonnen werden kann. Noch wichtiger sind dabei jedoch die Findung und die Optimierung der Druckparameter. Mit Hilfe der Simulation in Additive Science lassen sich Laserstärke und -geschwindigkeit sowie die Scanstrategie – also die Reihenfolge der Schmelzvorgänge in einer Schicht – entwickeln, um einen neuen Werkstoff optimal drucken zu können.

Weniger Testläufe

„Das passierte bisher sehr stark nach dem Trial-and-Error-Prinzip“, sagt Graf. „Man testete ein Parameterset, untersuchte das Teil, passte die Parameter an, druckte wieder und so weiter. Unser Ziel ist es, mit viel weniger physikalischen Tests schneller zum Ziel zu gelangen. Statt zwei bis drei Monaten für die komplette Prozessentwicklung eines neuen Materials streben wir zwei bis drei Wochen an.“

ANSYS stellte schnell fest, dass Rosswag mit seinem Materialwissen wichtigen Input liefern kann und so haben die beiden Unternehmen inzwischen eine Partnerschaft geschlossen, in der gemeinsam Parametersets für neue Materialien erarbeitet und die Materialeigenschaften bestimmt werden. So können die ANSYS-Entwickler die Simulation an den realen Materialien kalibrieren. INNEO kam als ANSYS-Partner ins Spiel, als es an die Abwicklung des Lizenzkaufs ging. Die INNEO-Simulationsspezialisten sind zudem dabei, gemeinsam mit ANSYS und Rosswag Know-how im Additive-Bereich aufzubauen. Graf blickt in die Zukunft: „Wir planen gemeinsame Schulungen mit INNEO und werden auf INNEO-Veranstaltungen unsere Lösung vorstellen.“ Gregor Graf schließt: „Mit ANSYS und INNEO hat Rosswag Engineering wichtige Partner gefunden, um die zukunftsträchtige Additive Fertigungstechnik weiterzuentwickeln und mit neuen Materialien das Potential dieser Technologie zu erweitern.“

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