Mit Creo und CETOL zuverlässige Produkte zuverlässig fertigen
Firma: Gerresheimer AG
Themen: Produktentwicklung, Konstruktion & Entwicklung (CAD), Berechnung & Simulation
Branche: Medizintechnik
Erschienen in:
Bericht herunterladen ZurückToleranzketten verstehen und optimieren
In der Pharma- und Medizinproduktebranche geht es oft um Menschenleben und noch öfter um die Gesundheit von Menschen. Dementsprechend wichtig ist hohe und vor allem gleichbleibende Qualität und sichere Funktion. Inhalatoren, Autoinjektoren, Pensysteme, Schnelltests und andere Pharma- und Medizinprodukte, wie sie Gerresheimer in Millionenstückzahlen produziert, werden deshalb umfassend analysiert und dokumentiert - unter anderem mit dem Toleranzmanagementsystem CETOL 6 Sigma, das in das
CAD/CAM-System Creo integriert ist. INNEO sorgt dafür, dass die komplexen Toleranzanalysen effizient erstellt werden können.
Gerresheimer deckt den gesamten Produktlebenszyklus ab, von der Konzeptentwicklung über Produkt- und Prozessentwicklung, Simulation und Verifikation bis hin zu Klein- und Vorserie und schließlich zur Industrialisierung und Großserienfertigung. Udo Leuschner, Teamleiter Produktentwicklung in Wackersdorf, sagt: „Die Kunden können in jeder Prozessphase einsteigen, manchmal liefern wir schon die Grundidee für das neue Produkt, in anderen Fällen kommen Kunden mit fertigen Konstruktionen und wir übernehmen die Erstellung des Serienequipments und den Transfer in die Serienfertigung. Für eine reibungslose und qualitativ hochwertige Serienfertigung bringen wir natürlich gerne unsere Expertise ein.“
Die 80 Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung, die auf drei Standorte weltweit verteilt ist, nutzen unter anderem das CAD-System PTC Creo und vertrauen dabei seit vielen Jahren auf INNEO als Ansprechpartner für Updates, Support und Schulungen. Neben dem CAD-System kommen Applikationen für die Spritzgusssimulation, strukturmechanische Berechnungen, statistische Toleranzanalysen und Strömungsanalyse zum Einsatz.
Geometrie und Bemaßung direkt aus dem CAD-Modell
Seit dem Jahr 2007 kommt für die statistische Toleranzanalyse das Programm CETOL 6 Sigma von Sigmetrix zum Einsatz, das ebenfalls von INNEO betreut wird. CETOL ist eng mit dem CAD-System Creo verknüpft, so dass Geometrien und Bemaßungen direkt aus dem 3D-CAD-Modell übernommen werden können. So werden Übertragungsfehler vermieden.
„Toleranzen sind extrem wichtig für uns“ erklärt Leuschner. „Auf der einen Seite fertigen wir extrem hohe Stückzahlen, von manchen Produkten über 100 Mio. Stück pro Jahr. Auf der anderen Seite sind die Anforderungen an die Produkte extrem hoch, denn es geht immer um den menschlichen Körper und die menschliche Gesundheit. Beispielsweise müssen Injektoren absolut sicher auslösen und dabei eine genau definierte Medikamentenmenge abgeben. Dabei ist eine vorab festgelegte Stechtiefe einzuhalten. Inhalatoren müssen die verbleibende Anzahl an Dosen genau anzeigen und genau definierte Wirkstoffmengen abgeben.“
Die hohen Stückzahlen vereinfachen die Arbeit nicht gerade, weil beispielsweise bei den dort genutzten Spritzguss-Vielfachwerkzeugen immer auch zwischen den einzelnen Kavitäten Abweichungen entstehen, die berücksichtigt werden müssen. Auch die Werkstückträger, die in der automatisierten Montage zum Einsatz kommen und die Fertigung an verschiedenen Standorten bringen zusätzliche Möglichkeiten für Abweichungen ins Spiel.
Die Anforderungen an die Produkte sind unterschiedlich, wie Leuschner weiter erläutert: „Je nach Einsatzzweck und Art der Applikation sind die Ansprüche der Kunden und der Zulassungsbehörden sehr unterschiedlich. Geht es beispielsweise darum, ein Medikament im Notfall sicher verabreichen zu können, muss der Autoinjektor hundertprozentig sicher die richtige Medikamentenmenge applizieren und auslösen – und nicht zuletzt einfach bedienbar sein. Bei weniger kritischen Anwendungen kann es beispielsweise akzeptabel sein, wenn ein geringer Anteil der produzierten Geräte Toleranzabweichungen einzelner Funktionen aufweist, wenn dies mit Kunde und Zulassungsbehörde abgestimmt ist. Es gibt Einweg- und Mehrwegprodukte, letztere müssen dann eben auch nach längerer Nutzung noch einwandfrei funktionieren.“
„worst-case“-Auslegung ist nicht umsetzbar
„Die große Schwierigkeiten bei Toleranzen ist, dass sie aufeinander aufbauen, sich addieren und gegenseitig beeinflussen“, sagt Entwickler und CETOL-Spezialist Jörg Großer. „Ein Auslegen von Geräten oder Baugruppen nach dem ‚worst case Prinzip‘ ist bei hochvolumigen Produktionen nicht realisierbar. Bei dem risikobasierten Ansatz werden die einzelnen Funktionen in ihrer Kritikalität bewertet. Je nach Bewertung ist eine definierte Ausschussrate zulässig. Um diese Ausschussrate zu berechnen, nutzt man statistische Tools wie CETOL 6 Sigma.“
CETOL arbeitet mit 3D-Modellen, was es ermöglicht, Toleranzen ganzheitlich zu analysieren. Im Gegensatz zu 1D- oder 2D-Toleranzberechnungen, die sich in einer Tabellenkalkulation berechnen lassen, ist dreidimensionale Toleranzanalyse hochkomplex und an die Verfügbarkeit von 3D-Modellen gekoppelt. Der CETOL-Anwender importiert diese Modelle aus Creo, wobei geometrische Zusammenhänge direkt mit übernommen werden. Während der Erstellung des Berechnungsmodells werden Messungen, Lager und verschiedene Verbauzustände definiert, um das Produkt und seine Funktion gesamtheitlich zu analysieren und letztendlich eine robuste Fertigung in hohe Stückzahlen bei sicherer Funktion zu gewährleisten.
So lassen sich in CETOL die Anteile berechnen, mit der eine bestimmte Toleranz an der Einhaltung der Vorgaben beteiligt ist. Zeigt sich in einer Toleranzkette, dass eine bestimmte Toleranz einen extrem hohen Einfluss hat, kann man gezielt an dieser Toleranz arbeiten: Lassen sich durch Änderungen an der Produktkonstruktion oder durch Verschieben von Toleranzweiten in der Toleranzkette kritische Toleranzen entschärfen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Ausschuss produziert wird und die Prozessqualität steigt. Damit können in vielen Fällen die Produktsicherheit erhöht und gleichzeitig die Produktionskosten gesenkt werden.
Nach Änderungen muss nicht die gesamte Toleranzkette neu aufgebaut werden, sondern es werden lediglich die Geometrie und die geänderten Werte aktualisiert. Nach der Berechnung der Abhängigkeiten liefert CETOL dann das Ergebnis der Änderungen und es kann bewertet werden, ob die Änderung Erfolg verspricht. CETOL ermöglicht es zudem, mehrere Konfigurationen zu definieren und parallel zu berechnen, um eine möglichst optimale Toleranzverteilung zu identifizieren. So lassen sich in einem Iterationsprozess Produkt und Produktionsaufwand optimieren, indem die Toleranzen so verteilt werden, dass einerseits die Funktion erfüllt beziehungsweise der Ausschuss minimiert werden kann und andererseits teure Präzisionsbearbeitungen möglichst weitgehend vermieden werden.
Überflüssige Toleranzen erkennen und eliminieren
Leuschner erläutert: „Früher kannte man den Begriff der ‚Angsttoleranz‘. Der Konstrukteur definiert Toleranzen enger als sie technisch notwendig sind, um die Funktion sicherzustellen. Solche übertriebenen Toleranzen können sich zum Problem auswachsen, wenn sie in einer Toleranzkette andere Toleranzen beeinflussen und sie verursachen in der Produktion unnötige Kosten.“
Großer fährt fort: „Diese Angsttoleranzen lassen sich in CETOL zuverlässig identifizieren und eliminieren. So stellen wir am Ende sicher, dass alle Toleranzen so eng wie nötig und so weit wie möglich sind.“
Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung pharmazeutischer und medizintechnischer Produkte sind die umfangreichen Dokumentationspflichten. CETOL bietet hier Reportformate an, welche allerdings an die Anforderungen für Medizin- und Pharmaprodukte angepasst werden müssen. CETOL-Hersteller Sigmetrix bietet einen Baukasten, mit dem sich Ergebnisse automatisch auslesen und darstellen lassen. Großer erinnert sich: „Wir haben gemeinsam mit INNEO und Sigmetrix eine Lösung entwickelt, die unseren Dokumentationsaufwand verringert und beispielsweise Berechnungswerte automatisch ausliest und formatiert. Das ist eine große Erleichterung.“ Leuschner fügt hinzu: „Wir müssen ein Design History File führen, in dem genau dokumentiert wird, wer wann was warum verändert hat. Da liefern die CETOL-Berichte automatisierten Input.“
INNEO lieferte die Toleranzanalysen mit CETOL ursprünglich als Dienstleistung, es zeigte sich aber, dass diese Arbeit aufgrund des immer häufigeren Einsatzes von CETOL und der Komplexität der Geräte bei der Gerresheimer MDS auch inhouse gemacht werden muss. So entschlossen die Gerresheimer-Verantwortlichen, mit Unterstützung von INNEO CETOL einzuführen, dabei lieferte INNEO unter anderem Schulungen, Workshops und Updateschulungen.
Zuverlässigkeit bei sehr hohen Stückzahlen
Der Aufbau der ersten Berechnungsmodelle und Toleranzketten wurde von Christoph Bruns von INNEO tatkräftig und kompetent unterstützt, wie Großer sagt: „Wir nutzen CETOL 6 Sigma dank der Zusammenarbeit mit INNEO effizient und die Toleranzanalyse ist zu einem der Key-Tools in der Entwicklung bei Gerresheimer geworden.“
Udo Leuschner schließt: „Mit CETOL erreichen wir zwei wichtige Ziele: Einerseits liefern wir dem Patienten Produkte, auf die er sich verlassen kann. Andererseits ist es bei den riesigen Stückzahlen, die wir fertigen, durchaus erheblich, ob wir 0,08 oder 0,09 Prozent Ausschuss erreichen. CETOL ermöglicht zahlenbasierte Optimierungen und ein tiefes Verständnis der Zusammenhänge in den Toleranzketten.“
Hintergrund Gerresheimer
Gerresheimer ist in den Branchen Pharmazie, Biotech, Gesundheit und Kosmetik mit einem sehr breiten Produktspektrum für Arzneimittel- und Kosmetikverpackungen sowie Drug Delivery Devices präsent. Das Unternehmen ist ein innovativer Lösungsanbieter vom Konzept bis zur Lieferung des Endprodukts. Gerresheimer erreicht seine Ziele durch ein hohes Maß an Innovationskraft, industrieller Kompetenz sowie Konzentration auf Qualität und Kundenfokus.
Bei der Entwicklung innovativer und nachhaltiger Lösungen setzt Gerresheimer auf ein umfassendes internationales Netzwerk mit zahlreichen Innovations- und Produktionszentren in Europa, Amerika und Asien. Gerresheimer produziert weltweit mit rund 10.000 Mitarbeitern nah beim Kunden und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von mehr als 1,4 Mrd. Euro. Gerresheimer spielt mit seinen Produkten und Lösungen eine wesentliche Rolle für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen.
Der Standort in Wackersdorf gehört seit der Übernahme der Wilden Group im Jahr 2007 zum Bereich Gerresheimer Medical Systems. Im Technischen Competence Center (TCC) schlägt das „technische Herz“ von Gerresheimer Medical Systems. Im TCC wird mit knapp 450 Mitarbeitern der gesamte Entstehungsprozess von Drug Delivery Devices wie Inhalatoren, Pensysteme und Autoinjektoren sowie Diagnostik- und Medizinprodukte wie Schnelltests, Laboreinmalartikel und Infusionsets bis zur Serienproduktion abgebildet. 120 davon arbeiten im ebenfalls in Wackersdorf ansässigen Werkzeugbau.