Quantensprung im Engineering

Anwenderbericht
Quantensprung im Engineering

Firma: INNEO Solutions & SIMSOLID

Themen: Produktentwicklung, Konstruktion & Entwicklung (CAD), Berechnung & Simulation

Erschienen in:

CAD.de 09/2018

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Quantensprung im Engineering

SIMSOLID von der gleichnamigen kanadischen Firma ist in der Lage, komplexe Bauteile und ganze Baugruppen in einem Bruchteil der Zeit zu berechnen, wie ein klassisches FEM-System. Dazu ist die Handhabung noch wesentlich einfacher. Den Vertrieb im D-A-CH und UK Bereich hat INNEO Solutions Ellwangen übernommen. Über Details sprach der CAD.de/NL mit Ralf Prinz, Mitinhaber und Technischer Leiter des Unternehmens.

CAD.de/NL: Herr Prinz, zunächst einmal, wo kommt die Software SIMSOLID her?

Ralf Prinz: Das Programm kommt aus Kanada. Dahinter steht ein sehr erfahrenes Team, mit Sitz in Toronto und Los Angeles. In die Entwicklung sind viele Erfahrungen auch von unserer Seite her mit eingeflossen, z. B. das automatische Erkennen von Schraubenverbindungen oder Schweißnähten.

Wie heißt die Firma?

Sie heißt wie das Produkt: "SIMSOLID". SIMSOLID ist mittlerweile recht aktiv am Markt und kann heute bereits über 250 Kunden aufweisen. Das sind zunächst einmal kleinere Kunden gewesen, mittlerweile steigen auch große Unternehmen ein, wie z. B. General Motors, die nach einem Jahr intensiver Tests die Software gekauft haben. Als zweites Großunternehmen kann ich John Deere nennen, die ebenfalls nach ausführlichem Test Kunde wurden.

Ausschlaggebende Gründe für beide waren die bis dorthin immensen Zeitaufwände, ihre großen Baugruppen, nicht zuletzt im Karosseriebereich, zu berechnen. Durch SIMSOLID ist das um Faktoren einfacher und schneller geworden.

All das hat Sie als INNEO bewogen, in den Vertrieb einzusteigen?

Ja, nach einer Pilotphase haben wir Anfang 2018 begonnen, den Vertrieb für SIMSOLID zu übernehmen.

Welche ersten Reaktionen haben Sie vom Markt bekommen?

Die ersten Reaktionen sind überwältigend, bezüglich der Geschwindigkeit und Genauigkeit der Ergebnisse.

Was darf man sich denn vorstellen von einer Berechnung ohne Netz? Wo setzt denn das System an?

Am besten kann man es an einem Beispiel erkennen. Ich habe hier eine "simple" Überwurfmutter von einem Fahrrad. Es handelt sich hierbei um ein Volumenmodell, welches 216 Flächen aufweist.
Setzt man hierauf ein handelsübliches FEM-Programm an, haben wir nach der Vernetzung eine Anzahl von 384.879 finite Elemente. Ich betone, bereits bei einer Standardvernetzung.
Daraus resultieren recht unterschiedliche Rechenzeiten: Das FEM-Programm rechnet 15 Minuten, bei SIMSOLID sind es 5 Sekunden!

Wie geht denn das?

SIMSOLID kommt mit wenigen, komplexen Funktionen aus, die am Ende das gleiche Rechenergebnis bringen wie FEM-Programme mit z. B. hunderttausenden von Elementen. Wer sich mathematisch gut auskennt, es wird eine Adaption der "externen Approximation" angewendet. Bei der externen Approximation werden, wie oben erwähnt, komplexe Funktionen verwendet, die vom Bauteil entkoppelt berechnet werden und somit von z. B. Fehlern in der Geometrie unabhängig sind und gerade deswegen trotzdem funktionieren.

Also wenn man richtig hinschaut, arbeitet SIMSOLID mit der originalen CAD-Geometrie, ohne vorausgehende Geometrievereinfachung und ohne Vernetzung?

So ist es. Diese für den Anwender einfache Art des Herangehens, weil kein Berechnungs-Know-How notwendig ist und die damit einhergehenden, kurzen Berechnungszeiten, machen das System geeignet, auch komplexeste Bauteile und große Baugruppen zu berechnen.

Wie bringt man nun bei SIMSOLID die Kräfte und Randbedingungen an, wenn es kein Netz gibt?

Das ist fast identisch wie bei der FE-Methode auch. Als erstes wird ein Teil aus einem CAD-System in SIMSOLID geladen. Ich habe hier mal eine Baugruppe mit 165 Einzelteilen. Diese Einzelteile sind aber alle nicht miteinander verbunden. Jetzt kann der Anwender zunächst z. B. alle nötigen und möglichen Schweißnähte automatisch suchen lassen und das in Sekunden. Das sind bei diesem Beispiel 2057. Sind damit alle Teile verbunden? In unserem Beispiel noch nicht. Es gibt nämlich Teile, die besser nicht geschweißt werden sollten. Das System erkennt das und meldet es uns. Dort kann z. B. dann flächig verbunden werden, auch das geschieht automatisch.

Nun werden die Einspannstellen festgelegt. Jetzt fehlt noch die Last. In unserem Beispiel sind es 700 kg, die von oben aufgebracht werden (Kräfte, Druck, Gravitation, Beschleunigung, ...).

Dann sage ich: Rechnen!

Dann simuliert das System ohne dass weitere Eingaben nötig wären. Das Ergebnis liegt nach 2 Minuten vor. Ich versichere Ihnen, wenn wir es konventionell gemacht hätten, wäre eine Woche vorbei. Das sagen einfach unsere Erfahrungen.

Wenn die Rechenzeiten so kurz sind, dann kann auch Verschiedenes mal ausprobiert werden. Wenn ich das mache, was kommt dann heraus, wenn ich jenes tue, welches Ergebnis haben wir denn usw.?

Ja, und genau die Erfahrung haben wir schon bei unseren Interessenten gemacht, sie fangen unmittelbar an zu experimentieren - ein neuer Freiheitsgrad, den sie bisher so in dieser Qualität nicht hatten.

Geht es eigentlich mit Daten aus jedem CAD-System?

Ja. SIMSOLID kann alle gängigen CAD- und Schnittstellenformate lesen, unter anderem auch STL.

Noch ein Beispiel?

Ich habe noch ein interessantes Beispiel mit einem Hebewerkzeug und einem Kranhaken, der 1750 mm hoch und 750 mm breit ist. In diesem Werkzeug sind 76 Einzelteile verbaut, also eine Baugruppe, die alles Mögliche beinhaltet, Schraubenverbindungen, Schweißnähte, bis hin zu einem Wälzlager, das wir natürlich nicht wie sonst üblich löschen oder unterdrücken müssen. Dieser Haken hängt oben in einem Seil und unten wirkt eine Kraft. Die größte Kraft entsteht aber nicht durch die Last, sondern dadurch, dass der Haken gelegentlich irgendwo hängen bleibt. Diese Kraft wird auf die Spitze eingegeben.

Kranhaken kommen bei Spitzenbelastungen gerne mal in den nicht-linearen Bereich. Rechnet das Programm auch solche Fälle?

Ja, ganz klar. Wie in unserem aktuellen Fall. Das Material ist hier Stahl. Dann kommt die Berechnung. Das Ergebnis liegt nach 30 Sekunden vor. Für die gesamte Baugruppe.

Da geht es aber dann schon ins märchenhafte über...

Das könnte man glauben, wenn es nicht ein echtes Kundenbeispiel wäre. Aber fabelhaft ist das wirklich.

Kommen wir auch zu den Grenzen des Systems. Kann man damit nur mechanische Berechnungen machen, oder sind auch Strömungsberechnungen oder Magnetismus etc. möglich?

Strömungen und Magnetismus sind im Augenblick nicht integriert. Die Software konzentriert sich zurzeit auf die Strukturmechanik. Hier ist quasi alles möglich, lineare und nicht-lineare Berechnungen, thermische sowie Schwingungsberechnungen und Betriebsfestigkeitsberechnungen die sich aus Reaktionskräften z. B. aus Schweißnähten ableiten lassen und das alles für Bauteile und Baugruppen. Dazu kommen komplexe, thermische Berechnungen wie Strahlung und Wärmestrom, um nur das Wichtigste zu erwähnen.

In der Dynamik sind dann transient, sowie Frequency Response und Random Response mögliche, um zum Beispiel Schläge zu simulieren oder eine PSD Analyse. Dann die schon erwähnten Möglichkeiten rund um Schweißnähte, die für viele Konstrukteure sehr nützlich sein dürften.

Nochmals zum Arbeitsablauf, auch hier gibt es die drei Hauptschritte, Preprozessing, Solving und Postprozessing...

...mit vielen Auswertemöglichkeiten plus der "Nettigkeiten" bezüglich der Schweißnähte und der Schrauben. Ich sage mal, die Übersicht über die Bauteile ist hier höher als bei der klassischen Berechnung.

Wie lange dauert die Schulung für dieses Programm?

Es gibt Kunden, die schon FEM-Erfahrung haben, die sagen: "Wir brauchen keine Schulung." Andere mit weniger Erfahrung sollten schon eine Schulung machen; meist reicht ein Tag. Wir erklären alles an echten Beispielen der jeweiligen Kunden, dann kommen sie schnell in den Arbeitsfluss hinein.

Was tun Sie bezüglich der Ergebnis-Speicherung? Gibt es eine Kopplung an PDM oder was?

In der Regel hat man in der Berechnung leider oft keine wirkliche Kopplung an PDM Systeme. Die Dateien sind meist so groß, dass man gerne auf die Speicherung in PDM Systemen verzichtet.
Wir haben in SIMSOLID deswegen sehr pragmatische Möglichkeiten der Dokumentation, bis hin zur integrierten filmischen Aufzeichnung. Diese sind dann sehr einfach in PDM Systemen abzulegen. Wir dokumentieren hier also in der Regel nicht sämtliche Berechnungsergebnisse, sondern ziehen die relevanten Daten heraus und legen diese ab. Der Riesenvorteil ist ja, wenn ich später mehr brauche, kann ich schnell eine Nachrechnung machen - wie gesehen.

Jetzt gibt es verschiedene Editionen?

Genau, SIMSOLID gibt es in verschiedenen Ausbaustufen. Es beginnt mit einer Art Einstiegsedition namens "Power", bei der viele hier besprochene Dinge wie die Schweißnähte, oder die nicht-lineare Berechnung, die zusätzlichen Baugruppenverbindungen und einige der CAD-Imports und Schnittstellen nicht mit dabei sind. Diese Edition kostet 3500 Euro Subscriptionspreis im Jahr. Dann gibt es die "Professional" Edition, die liegt bei 6900 Euro im Jahr. Die hat alles dabei was wir heute erwähnt haben.
Wir haben in dieser Edition übrigens auch die Möglichkeit, Schweißnähte aus CAD-Systemen einzulesen. Das ist insofern eine "Kunst", als dass in CAD-Systemen oft gar keine Schweißnähte als Volumen konstruiert werden und wenn überhaupt, dann nur als Linien. SIMSOLID kann diese Linien einlesen und erzeugt automatisch daraus Schweißnähte und entlastet damit den Berechner der Schweißkonstruktionen ungemein.

Und Hardware, beliebig?

Ich nutze das Programm hier auf einem regulären, für CAD ausgestatteten Rechner. Das klappt prima. Der Vorteil bei SIMSOLID ist, es hat einen hohen Parallelisierungsgrad. Das bedeutet, je mehr Rechenkerne eine Hardware hat, desto schneller ist das Ergebnis da.
Für gelegentliche Nutzer gibt es die Möglichkeit, sich über das Internet bei uns auf einen Server einzuloggen, auf dem das Programm läuft und alles andere bei sich über den Browser zu erledigen.

Herr Prinz, vielen Dank für das Gespräch.

 

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